Was macht eine Praxislehrperson?
Nadine ist Praxislehrperson an einer Primarschule. Das bedeutet: Sie unterrichtet nicht nur Kinder der ersten und zweiten Klasse, sondern betreut gleichzeitig auch Studierende im Praktikum. Als Partnerschule der PH begleitet sie wöchentlich zwei Studierende und zeigt ihnen den realen Schulalltag. Ihr Klassenzimmer ist damit ein Ort des Lernens auf mehreren Ebenen, für Kinder und Erwachsene gleichermassen.
Der erste Kontakt mit KI: Zwischen Skepsis und Neugier
Die erste Begegnung mit KI war alles andere als euphorisch. Es war ihr Partner, der sie auf das Thema aufmerksam machte. Sie selbst wollte davon zuerst nichts wissen: «Ich hatte genug im Berufsalltag», sagt sie. Erst mit der Zeit und durch konkrete Anwendungsbeispiele kam das Interesse. Typisch für viele Lehrpersonen: Man weiss, dass KI wichtig ist, hat aber keine Ahnung, wo man anfangen soll. Die Angst vor dem Unbekannten mischt sich mit dem Gefühl, ohnehin schon genug auf dem Teller zu haben.
KI als Assistenz im Alltag
Heute nutzt Nadine KI fast ausschliesslich für sich selbst. Zum Beispiel zur Erstellung von differenzierten Arbeitsblättern für verschiedene Lernniveaus. Während sie früher Texte abklebte, neu formatierte oder selbst anpasste, reicht heute ein Prompt: «Mach mir eine einfachere Version davon». Auch bei der Generierung von Lesetexten oder Elternbriefen spart sie viel Zeit. Die Qualität? Anfangs nicht überzeugend. Doch Nadine hat gelernt: «Der Output hängt vom Input ab». Je präziser der Wunsch, desto besser das Resultat.
Kritisches Denken fördern, auch (oder gerade) im Umgang mit KI
Ein Highlight: Eine Lehrperson verwendete ein KI-generiertes Bild eines Mammutskeletts – mit anatomischen Fehlern. Das zeigt: Auch Lehrpersonen müssen lernen, kritisch mit digitalen Inhalten umzugehen. Besonders Kinder neigen dazu, Chatbots wie einen Freund zu behandeln und blind zu glauben. Genau deshalb müssen Schulen und Eltern frühzeitig Medienkompetenz vermitteln. Es ist wichtig, auch in der Schule, die Quellen zu hinterfragen. «Wir müssen ein Bewusstsein schaffen, ohne zu verteufeln.»
Weiterbildung als Schlüssel – und Stolperstein zugleich
Trotz wachsendem Interesse an KI fehlt es an gezielten Weiterbildungsangeboten für Lehrpersonen. Nadine meldete sich gleich für zwei Kurse an, fand aber viele Programme zu theoretisch oder zu wenig auf den Schulalltag zugeschnitten. Der Bedarf ist riesig: Ein Basiskurs wurde sechs Mal parallel durchgeführt, weil die Nachfrage so hoch war. Trotzdem bleibt das Gefühl: «Ich muss mich selbst informieren und gleichzeitig meine Schüler:innen unterrichten.»
Schule der Zukunft: KI als E-Bike statt Staubsauger-Roboter
Eine wunderschöne Metapher: KI ist nicht wie ein autonomer Staubsauger, der einem alles abnimmt, sondern wie ein E-Bike. Du trittst selbst, aber kommst schneller voran. Genau so erlebt Nadine den Alltag. KI kann unterstützen, aber nicht übernehmen. Sie beschleunigt Prozesse, bringt neue Qualität, darf aber nicht zu Überforderung führen. Nadine beobachtet, wie die Anforderungen steigen, während viele Lehrpersonen weder genügend Ressourcen noch Fortbildungen haben. Besonders gefährlich: Wenn Kinder beginnen, KI-Systeme als emotionale Bezugsperson zu nutzen.


