10.11.2025

Update am 05.02.2025
Im November 2022 veröffentlichte OpenAI ChatGPT und setzte damit einen neuen Standard in der Welt der Künstlichen Intelligenz. Doch der Erfolg von ChatGPT beruhte nicht nur auf technologischen Fortschritten. Vielmehr belebte es ein Instrument wieder, dass viele für totgeglaubt hielten: den Chat. Während generative KI bereits bei Tools wie Neuroflash und anderen Anbietern existierte, war es das iterative, dialogorientierte Vorgehen von ChatGPT, das den entscheidenden Unterschied machte. Nutzer:innen konnten durch den Chat gezielt Fragen stellen, Anpassungen vornehmen und Antworten in Echtzeit verfeinern – ein Paradigmenwechsel in der Art, wie wir mit KI interagieren. Diese Verbindung von technischer Präzision und einer intuitiven, menschlichen Schnittstelle machte ChatGPT zum Vorreiter eines neuen Zeitalters.
Das Jahr 2023 war geprägt von Experimenten und der Integration von KI in den Alltag. OpenAI erweiterte die Reichweite von ChatGPT durch die Integration in Microsoft-Produkte wie Teams und Azure, wodurch KI nicht mehr nur als eigenständiges Tool wahrgenommen wurde, sondern zunehmend in Unternehmenssoftware integriert war. Gleichzeitig begann die Idee tragbarer KI-Geräte wie dem AI Pin von Humane, die Aufmerksamkeit der Tech-Community auf sich zu ziehen. Doch trotz beeindruckender Demonstrationen blieb unklar, wie diese Technologien im Alltag konkret genutzt werden könnten.
Auch in der Schweiz war die Situation diffus. KI-Schulungen waren selten, und viele fragten sich, wie sich die Technologie sinnvoll nutzen liess. In dieser Phase entschied ich, eine Lerngruppe zu gründen, die heute als Schweizer Verband für Künstliche Intelligenz (KImpact) aktiv ist. Ziel war es, gemeinsam die Potenziale und Herausforderungen von KI zu verstehen – ein Fundament, das sich bis heute als unschätzbar wertvoll erwiesen hat.
Im Jahr 2024 erreichte die KI-Entwicklung neue Höhen. Der wohl bedeutendste Fortschritt war die Einführung des Advanced Voice Mode von ChatGPT. Er ermöglichte erstmals Gespräche, die so natürlich klangen, dass der Unterschied zwischen Mensch und Maschine kaum noch spürbar war. Parallel dazu zeigte sich die reale Integration von KI in unseren Alltag durch autonomes Fahren: Waymo verzeichnete in mehreren US-Städten über 150’000 Fahrten pro Woche – ein bahnbrechender Erfolg, der die breite Akzeptanz selbstfahrender Autos demonstrierte.
Auch die kreativen Möglichkeiten der KI machten einen enormen Sprung nach vorn. OpenAI präsentierte Sora, ein System, das qualitativ hochwertige Videos erzeugte, die in ihrer visuellen und inhaltlichen Qualität mit professionellen Produktionen vergleichbar waren. Dies war ein klarer Fortschritt gegenüber früheren KI-Systemen, die oft humoristisch anmutende Ergebnisse lieferten.
Musikalisch sorgte die Plattform Suno für Aufsehen, da sie in der Lage ist, komplette Songs zu komponieren – von Text über Melodie bis hin zu Gesang. Diese Entwicklung löste gesellschaftliche Debatten aus, insbesondere über die Auswirkungen von KI-generierter Musik auf die Kreativwirtschaft und Urheberrechtsfragen. Auch wenn die Ergebnisse nicht immer „hitverdächtig“ waren, zeigten sie das Potenzial, die Musikindustrie zu revolutionieren und kreative Prozesse drastisch zu beschleunigen. Diese Anwendungen bewiesen eindrucksvoll, dass KI längst mehr ist als ein technisches Werkzeug – sie begann, kreativ zu denken.
So ist KI für den Bereich Marketing ein Wendepunkt. KI-Tools ermöglichten die Automatisierung von Content-Erstellung auf einem neuen Niveau. Unternehmen nutzten KI, um personalisierte Werbung zu gestalten, die auf Echtzeit-Daten basierte, und optimierten so ihre Kundenansprache. Besonders generative KI ermöglichte es, kreative Inhalte wie Texte, Bilder oder Videos in kürzester Zeit zu erstellen und dadurch Kampagnen effizienter zu gestalten. Diese Fortschritte revolutionierten, wie Marken mit ihren Zielgruppen kommunizieren konnten.Januar: Google stellt Gemini 1.0 vor, ein Multimodal-KI-Modell, das Text, Bild und Video integriert verarbeiten kann.
Künstliche Intelligenz, besonders Chatbots und LLMs, wird immer häufiger als Gesprächspartner und weniger als Werkzeug wahrgenommen. Was früher Suchmaschinen einseitig bedienten, hat sich zu interaktiven Dialogen entwickelt. Diese Verschiebung verändert, wie wir Maschinen wahrnehmen. Asiatische Kulturen forschen aktiv an der Simulation von maschinellem Bewusstsein, während Europa und die USA sich stärker auf die praktische Nutzung konzentrieren. Chatbots zeigen heute bereits, wie schwer es fällt, zwischen Mensch und Maschine zu unterscheiden – oft sind sie empathischer als wir selbst. Dies wirft tiefgreifende Fragen auf: Wird die Unvollkommenheit und Rauheit des Menschlichen in einer zunehmend perfektionierten Maschinenwelt irgendwann als wertvoller angesehen? Und wie wird diese Verschiebung durch kulturelle Unterschiede weiter verstärkt?
Trotz der beeindruckenden Fortschritte war 2024 auch ein Jahr der Ernüchterung. Besonders enttäuschend waren die sogenannten AI Devices, tragbare Geräte wie der Humane AI Pin und der Rabbit R1. Beide Produkte wurden mit dem Versprechen beworben, KI nahtlos in den Alltag zu integrieren und das Smartphone zu ersetzen. Doch die Realität sah anders aus: Unausgereifte Software, lange Latenzzeiten und eingeschränkte Funktionalitäten machten die Geräte kaum brauchbar. Sicherheitsprobleme und der fehlende Schutz sensibler Nutzerdaten verschärften die Kritik. Hinzu kam, dass diese Geräte lediglich eine mobile Chatbot-Funktionalität boten, ohne innovative, nutzerzentrierte Mehrwerte zu schaffen.
Auch in der Wirtschaft blieben die Erwartungen an KI unerfüllt. Trotz milliardenschwerer Investitionen in Rechenzentren und KI-Infrastruktur waren die konkreten Effizienzgewinne oft schwer messbar. Besonders traditionelle Industrien wie Maschinenbau und Chemie hatten Schwierigkeiten, KI erfolgreich in ihre Prozesse zu integrieren. Dies lag unter anderem daran, dass KI-Systeme oft nicht auf die spezifischen Bedürfnisse und Arbeitsweisen dieser Branchen angepasst waren.
Die Idee der On-Device AI, bei der KI direkt auf Geräten statt über die Cloud läuft, scheiterte ebenfalls an der Realität. Hardware-Hersteller wie Intel präsentierten zwar leistungsstarke Chips wie NPUs (neuronale Prozessoren), doch die passenden Anwendungen fehlten. Nutzer:innen bemerkten kaum einen Unterschied, da viele Funktionen weiterhin cloudbasiert liefen, was zu höheren Kosten und langsameren Verarbeitungszeiten führte. Unternehmen konnten so den erhofften Wettbewerbsvorteil nicht realisieren.
Die Fortschritte der vergangenen Jahre haben Erwartungen geschürt, die 2025 vor einer Realität stehen könnten, die deutlich nüchterner ausfällt. Viele Unternehmen haben den Hype um KI falsch eingeschätzt, indem sie auf unausgereifte Tools gesetzt oder in Systeme investiert haben, die nicht auf ihre spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten waren. Beispiele sind Unternehmen, die KI-Chatbots für den Kundenservice einsetzten, ohne die Nutzerfreundlichkeit zu testen, oder Betriebe, die generative KI-Tools für Content-Erstellung nutzten, deren Ergebnisse jedoch die Markenidentität nicht trafen. Ich warne vor einem möglichen "KI-Winter", einer Phase der Ernüchterung, in der die Begeisterung abkühlt und der Hype realistischen Herausforderungen weicht. Viele Unternehmen investieren hektisch in Tools und Schulungen, ohne eine klare Strategie. Der Gedanke: Mit generativer KI wird alles besser. Doch wie der Gartner AI Hypecycle 2024 zeigt, befinden wir uns auf dem Weg ins 'Trough of Disillusionment', wo die Kluft zwischen Erwartung und Realität immer deutlicher wird.
Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von KI für Social-Media-Content. Oft wird lediglich „irgendetwas“ generiert, ohne sicherzustellen, dass es zur Markenidentität passt. Der KI-Winter könnte besonders diejenigen treffen, die ohne fundiertes Wissen oder Strategie auf den Hype aufgesprungen sind. Der Erfolg liegt in der sinnvollen Integration und im tiefen Verständnis der Technologie.
In Workshops habe ich oft erlebt, wie gross die Euphorie für generative KI-Tools ist. Doch sobald es um die konkrete Nutzung und strategische Integration geht, wird es still. Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, KI nicht nur als technische Spielerei, sondern als strategisches Werkzeug zu begreifen. Ein Beispiel dafür ist der Einsatz von KI für Social-Media-Content. Zu oft wird einfach "irgendetwas" generiert, ohne sicherzustellen, dass es die Markenidentität widerspiegelt. Diese unreflektierte Nutzung führt unweigerlich zu enttäuschenden Ergebnissen.
2025 könnte für viele Unternehmen zum Wendepunkt werden. Der KI-Winter trifft besonders diejenigen, die ohne Strategie und fundiertes Wissen auf den Zug aufgesprungen sind. Der Schlüssel liegt in der sinnvollen Integration: AI-Engineering, tiefes Verständnis der Technologie und eine klare Verknüpfung mit Unternehmenszielen. Wer KI nicht als Ergänzung versteht, sondern als Alleskönner ohne Aufwand, wird enttäuscht.
Die schnelle Generierung von Inhalten durch KI führt zu einer Überflutung von Content – wie Fischer, die immer mehr Netze in denselben kleinen Teich werfen. Mehr Inhalte bei gleichbleibender Nutzerzahl schaffen zwei Szenarien:
Diese Entwicklungen könnten das gesamte Marketing an die Wand fahren. Was hilft? Individualität. Unternehmen müssen ihren Input personalisieren und eigene, unverwechselbare Stilmittel entwickeln. Einzigartige Schreibstile, kluge Workflows und AI Agents, die weniger generieren, sondern mehr optimieren, sind der Schlüssel. Der Fokus sollte auf Ressourcenersparnis und der strategischen Nutzung von KI liegen.
Während sich viele Unternehmen mit den Herausforderungen der aktuellen KI-Anwendungen beschäftigen, zeichnet sich für 2025 ein neuer Trend ab: Agentic AI. Diese Form der KI geht über einfache Interaktionen hinaus und verspricht, proaktiv Aufgaben zu übernehmen – ähnlich wie ein persönlicher Assistent, der nahtlos im Hintergrund arbeitet. Ob bei der Organisation von Terminen, der Analyse von Daten oder der Steuerung von Smart-Home-Geräten: Agentic AI könnte die Art und Weise, wie wir mit Technologie interagieren, grundlegend verändern.
Doch nicht nur Software steht im Fokus. Fortschritte in der KI beflügeln auch die Begeisterung für humanoide Roboter. Es wird zunehmend über einen möglichen "ChatGPT-Moment" für Roboter spekuliert – ein Durchbruch, bei dem ein einzelnes System eine Vielzahl von Aufgaben bewältigen kann, von der Hausarbeit bis zur Pflege. Dieser nächste Schritt könnte Roboter endlich aus der Nische der Industrieproduktion in unseren Alltag bringen.
Gleichzeitig stehen diese Entwicklungen vor einer zentralen Herausforderung: der Datenschutz. Agentic AI benötigt oft umfassenden Zugriff auf sensible Informationen und funktioniert meist über Cloud-Verarbeitung. Unternehmen müssen hier nicht nur technologische Lösungen, sondern auch Vertrauen schaffen, um den Bedenken der Nutzer:innen zu begegnen.
Mit dem Fortschritt der KI wachsen auch die Risiken. Besonders die Einführung von Agentic AI wirft Fragen zum Datenschutz auf. Diese Systeme benötigen oft Zugang zu sensiblen Nutzerdaten, wie E-Mails, Kalendern oder Smart-Home-Geräten, um effektiv arbeiten zu können. Gleichzeitig laufen viele Prozesse über Cloud-Server, was sie anfällig für Angriffe und Datenmissbrauch macht. Der EU AI Act, der 2024 in Kraft trat, zielt darauf ab, diese Risiken zu minimieren, indem er Transparenzvorgaben und Risikobewertungen für KI-Systeme verbindlich macht. Unternehmen sind nun verpflichtet, ihre Systeme nach Risikogruppen zu klassifizieren und entsprechende Massnahmen zur Datensicherheit umzusetzen.
Die Frage, wer Zugriff auf diese Daten hat und wie transparent Unternehmen ihre Verarbeitung gestalten, wird für Nutzer:innen immer wichtiger. Der AI Act erhöht den Druck auf andere Weltregionen wie die USA, ebenfalls klare Regelungen einzuführen. Unternehmen stehen unter Druck, klare Pläne zur Sicherheit und Transparenz vorzulegen. Ein Vertrauen der Nutzer:innen ist essenziell, da ohne klare Kontrollmechanismen die Bereitschaft sinken könnte, solche Systeme zu nutzen. Die Balance zwischen Komfort und Sicherheit bleibt eine der grössten Baustellen für 2025.
Europas fehlende Konkurrenz zu asiatischen und amerikanischen Tech-Giganten stellt ein Risiko dar. Trotz Datenschutzgesetzen wie der DSGVO oder dem EU AI Act fehlt es an eigenständigen Alternativen zu Microsoft, Google und Co. Ich bin nicht gegen Regulierung – sie ist essenziell. Doch der europäischen Wirtschaft fehlt der Mut, eigene Lösungen voranzutreiben und auf Augenhöhe mit den Tech-Giganten zu agieren. Dies gefährdet nicht nur die digitale Souveränität, sondern steht auch im Konflikt mit den Nachhaltigkeitszielen. Europa muss dringend in eigene Technologien investieren, um langfristig unabhängig zu bleiben und die globale Wirtschaft aktiv mitzugestalten.
Die Jahre 2022 bis 2024 haben die Welt der Künstlichen Intelligenz radikal verändert. Von bahnbrechenden Fortschritten wie dem Advanced Voice Mode und autonomen Taxis bis hin zu ernüchternden Enttäuschungen wie den AI Devices und der unzureichenden wirtschaftlichen Wertschöpfung: Diese Phase hat gezeigt, dass KI eine transformative Kraft besitzt, aber ihre Versprechen nur erfüllt, wenn sie strategisch genutzt wird.
Für 2025 zeichnen sich klare Trends ab. Agentic AI und humanoide Roboter könnten die nächsten grossen Schritte sein, während Unternehmen lernen müssen, KI nicht nur als technische Spielerei, sondern als strategisches Werkzeug zu nutzen. Gleichzeitig mahnen Datenschutzbedenken und die Gefahr eines KI-Winters zur Vorsicht. Der Schlüssel zur Zukunft liegt darin, KI als Ergänzung und nicht als Ersatz zu verstehen – und dabei die richtigen Strategien zu entwickeln.
Die Frage bleibt: Wird die KI ihren Hype überleben und tatsächlich unsere Welt verändern? Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Unternehmen und Entwickler die Potenziale dieser Technologie voll ausschöpfen können.